INTERESSENGEMEINSCHAFT HEIMATGESCHICHTE KARLSHAGEN E.V.




KARLSHAGEN UND DIE
NATIONALE VOLKSARMEE (NVA)

Die Entwicklung des Ortes Karlshagen seit 1961 unter dem Einfluss der NVA aus der Sicht von Dieter Frenzel


Zu meiner Person:
Ich bin Jahr­gang 1942 und wur­de in der Ober­lausitz gebo­ren. Im Jahr 1959 bin ich in die Rei­hen der Natio­na­len Volks­armee, kon­kret in die Luft­streit­kräfte, ein­ge­tre­ten. Nach der Me­cha­niker­aus­bil­dung an der Offi­ziers­schule Kamenz wurde ich, für mich zu­fällig, in das Jagd­flie­ger­ge­schwa­der 9 nach Drewitz bei Cottbus ver­setzt. Dort habe ich als Waf­fen­me­cha­ni­ker an den Flug­zeu­gen ge­arbei­tet. Ich war froh, in der Nähe mei­ner Hei­mat zu sein. Im Mai 1961 wur­de dieses Ge­schwa­der auf den Flug­platz Peene­münde ver­legt. So kam ich nach Karls­hagen. 1964 hei­ra­tete ich ein Mäd­chen aus Kose­row und im Dezem­ber 1964 zogen wir von Kose­row nach Karls­hagen, als eine der ers­ten Fami­lie in die neu erbau­te Straße des Friedens. So wur­de ich Ein­woh­ner von Karls­hagen. Ich nahm dann mehr oder weni­ger aktiv am Leben in Karls­hagen teil und ver­folg­te so die Ent­wick­lung des Ortes. Als Berufs­sol­dat der NVA habe ich in ver­schie­de­nen Dienst­stel­lungen ge­ar­bei­tet und blieb bis zum 31.12.1990 An­ge­hö­ri­ger des Ge­schwa­ders. Ab Janu­ar 1991 habe ich das His­to­risch Tech­ni­sche In­for­ma­tions­zent­rum in Peene­münde ak­tiv mit auf­ge­baut. In den fol­gen­den Jah­ren be­schäf­tig­te ich mich dann be­son­ders in­ten­siv mit der Ge­schich­te der Region Peene­münde - Karls­hagen.


Die hier dar­ge­stell­te Ent­wick­lung des Ortes Karls­hagen er­hebt kei­nen An­spruch auf Voll­stän­dig­keit. Für Er­gän­zun­gen und An­re­gun­gen zu die­sem Thema wä­ren ich und der Hei­mat­verein Karls­hagen sehr dank­bar.


Für die Hil­fe bei der Er­ar­bei­tung möch­te ich mich be­son­ders bei Herrn Manfred Kanetzki be­dan­ken.

Karlshagen und die NVA

Zu Beginn eine kur­ze Cha­rak­te­ris­tik des Ortes Karls­hagen im Jahr 1961. Karls­hagen be­gann sich nach dem Krieg erst in den 50er Jah­ren lang­sam zu einem Ur­laubs­ort zu ent­wickeln. Der Ort lag in sei­ner Ent­wick­lung immer etwas im Schat­ten von Zinno­witz. Im Jahr 1961 wur­den aber be­reits 15.629 Ur­lau­ber ge­zählt. Be­son­ders aus­ge­prägt war schon da­mals die Kin­der­freund­lich­keit. Zahl­rei­che Be­trie­be aus der ge­sam­ten DDR hat­ten im Ort und auf dem Zelt­platz Kin­der­feri­en­la­ger er­rich­tet. Die An­zahl der Fe­rien­kin­der stieg von 450 im Jahr 1958 auf 6.125 Kin­der im Jahr 1963.


Im Dorf gab es ein Land­wa­ren­haus mit einem Ge­schäft für Wa­ren des täg­li­chen Be­darfs (Lebens­mit­tel), einer Flei­sche­rei und einem Be­reich für Tex­ti­lien und Kurz­waren in der obe­ren Eta­ge.

Karlshagen - NVA

Das Landwarenhaus in der Hauptstraße

Neben dem Land­wa­ren­haus stand eine Ba­racke mit einem Ge­schäft für Haus­halts­wa­ren und dem Be­darf für Haus und Gar­ten, al­ler­dings im ge­rin­gen Um­fang. Im hin­te­ren Teil der Ba­racke er­folg­te die Es­sens­ver­sor­gung der Schul­kin­der. Da­ne­ben stand eine zwei­te Ba­racke, in der sich eine Post­stel­le, eine Spar­kas­se und eine An­nahme­stel­le für die Tex­til­rei­ni­gung be­fan­den. Wei­ter­hin gab es im Ort eine Apo­the­ke, einen Schuh­ma­cher, ein Ge­schäft für Obst und Ge­müse, einen Da­men- und Her­ren­fri­seur, einen Fisch­la­den und in der Peene­straße eine Gärt­ne­rei. Als Gast­stätte war nur der "Kiefern­hain" (im Volks­mund auch "Ast" oder "Tante Ella" ge­nannt) mit ca. 140 Plät­zen vor­han­den.

Karlshagen - Kiefernhain

Die Gaststätte "Kiefernhain" in den 90er Jahren

Am Strand stand eine neu er­bau­te La­ger­halle zur Ein­la­ge­rung von Strand­kör­ben im Win­ter. Im Som­mer wur­de die­se Halle für die Ver­sor­gung der Ur­lau­ber ge­nutzt. Sie be­kam dann den viel­ver­spre­chen­den Na­men "Strand­dis­tel". In der Nähe stand auch ein Zelt­kino.

Karlshagen - Strandvorplatz

Der Strandvorplatz mit dem Ferienheim Esda Strümpfe Thalheim - im Hintergrund das Zeltkino

Karlshagen - Stranddistel

Auf der anderen Seite steht im Hintergrund die Stranddistel für die Urlauberversorgung

Karlshagen er­reich­te man über die Stra­ßen­an­bin­dung von Banne­min über Trassen­heide. Mit der Deut­schen Reichs­bahn war Karls­hagen mit Um­stei­gen in Zinno­witz er­reich­bar. Vom Bahnhof "Wol­gast Hafen" muss­te man vor­her zu Fuß über die Peene-Brücke (ca. 1 km) zum Bahn­hof "Wol­gast Fähre" lau­fen. Von dort fuhr der Zug dann wei­ter nach Zinnowitz.

Am 16. Mai 1961 er­folg­te die Ver­le­gung des Jagd­flie­ger­ge­schwa­ders 9 aus Drewitz bei Cottbus auf den Flug­platz Peene­münde. Der Flug­platz Drewitz war für da­ma­li­ge Ver­hält­nisse mo­dern aus­ge­baut. Die Dienst­stelle be­stand aus fes­ten Ge­bäu­den und auf dem Flug­platz waren gu­te Ar­beits­be­din­gun­gen vor­han­den und er lag mitten im Kie­fern­wald. Die Wohn­sied­lung mit Ver­kaufs­ein­rich­tun­gen und einem Klub­haus in der Nähe der Dienst­stelle bot für die Fa­mi­lien an­ge­neh­me Le­bens­be­din­gun­gen. Auch die Stadt Cottbus war schnell mit dem Zug vom Bahn­hof "Jänschalde Ost" oder mit dem Auto zu er­rei­chen. In Karls­hagen wa­ren da­ge­gen die Ar­beits- und Le­bens­be­din­gun­gen be­deu­tend pri­mi­ti­ver im Ver­gleich mit Drewitz. Der Flug­platz Peene­münde lag to­tal frei an der Nord­spitze der Insel Use­dom und es gab dort zur Un­ter­brin­gung der Werk­stät­ten und für die Ar­beit nur "Schar­ten­bret­ter­bu­den", wel­che kaum vor dem Wind schütz­ten.

Flugplatz Peenemünde

Der Flugplatz 1961 mit dem Seenotrettungshubschrauber Mi-1

Karlshagen - NVA - Baracke

Eine der Baracken für die Unterkunft

Die 7 km ent­fern­te Dienst­stel­le be­stand aus einem Wirt­schafts­ge­bäu­de und aus 8 in U-Form ge­bau­ten Ba­racken sowie einer ein­zel­nen Ba­racke. In diese zog der Med. Punkt ein. Die­ses Ba­racken­la­ger war 1939/40 für die Sol­da­ten der Wehr­macht und für die Fremd­ar­bei­ter der Heeres­ver­suchs­an­stalt auf­ge­baut wor­den. Nach 1945 zo­gen dort Aus­sied­ler aus dem Osten ein. Von 1948 bis 1958 wa­ren in die­sen Ba­racken die Sol­da­ten eines sow­je­ti­schen Ge­schwa­ders un­ter­ge­bracht, wel­ches 1960 nach Rib­nitz-Dam­garten ver­legt wurde.

Karlshagen - Wirtschaftsgebäude

Das Wirtschaftsgebäude in der Dienststelle Karlshagen im Jahre 1943

Die Gebäu­de der Dienst­stelle wa­ren teil­wei­se in einem un­vor­stell­bar schlech­ten Zu­stand und viel Ar­bei­ten war not­wen­dig, um die Un­ter­künf­te wohn­lich zu ge­stal­ten.


Für die Be­rufs­sol­da­ten mit ihren Fa­mi­lien stand die alte Sied­lung mit 75 Ein­fami­li­en­häu­sern, zum Teil in Rei­he gebaut, zur Ver­fü­gung. Die­se Häu­ser wur­den 1942/43 für die Ar­bei­ter und In­ge­nieu­re der Heeres­ver­suchs­an­stalt er­rich­tet. Von 1948 bis 1958 wohn­ten sow­je­ti­sche Fa­mi­lien in der Sied­lung. Diese Häuser wa­ren 1961 in einem fast un­be­wohn­ba­ren Zu­stand. Teil­wei­se fehl­ten die Tü­ren und Fens­ter. Eini­ge Kel­ler wa­ren voll mit Stein­koh­len­gruß oder sie wa­ren die Fäka­li­en­grube des Hau­ses.

Karlshagen - Waldstraße

Nach dem Ausräumen eines Kellers in der Waldstraße, der mit Steinkohlengruß gefüllt war

Die Ein­kaufs­be­din­gun­gen im Ort, die Ar­beits­be­din­gun­gen auf dem Flug­platz, die Ent­fer­nung Flug­platz-Dienst­stelle und die Le­bens­be­din­gun­gen in der Dienst­stel­le sowie in der al­ten Sied­lung wa­ren na­tür­lich für viele ein gro­ßer Schock. Gera­de die 7 km zwi­schen Flug­platz und Dienst­stel­le wa­ren in den ers­ten Mo­na­ten trans­port­mä­ßig kaum zu be­herr­schen.


Dazu kam noch die sehr schlech­te Qua­li­tät des Trink­was­sers. Ohne Brech­reiz ging es beim Zäh­ne­put­zen in den ers­ten Ta­gen nicht. Es gab erns­te Aus­ein­an­der­set­zung über diese Be­din­gun­gen und eini­ge Armee­an­gehö­ri­ge woll­ten durch ein Ver­set­zungs­ge­such die­sen Ver­häl­tnis­sen ent­flie­hen. Ver­tre­ter aus den vor­ge­setz­ten Stä­ben, be­son­ders die Po­lit­offi­ziere, ga­ben sich die Tür­klin­ken in die Hand und muss­ten viel Über­zeu­gungs­ar­beit leis­ten.


Beson­ders hart und un­ge­wohnt war die Ar­beit auf dem Flug­platz im stren­gen Win­ter 1962/63. Der Schnee lag vom 17. De­zem­ber bis En­de April. Es herrsch­ten teil­wei­se Tem­pe­ra­tu­ren von bis zu Minus 25 Grad und dazu kam der eisi­ge Wind. Die Ost­see war zu 85 % zu­ge­fro­ren. Auf dem Flug­platz wa­ren für die Men­schen nur weni­ge Schutz­mög­lich­kei­ten vor­han­den. Aber schritt­wei­se haben sich die Armee­an­ge­hö­ri­gen an die­se Be­din­gun­gen ge­wöhnt.


Bereits seit An­fang der 50er Jahr­e war in Peene­münde eine Flot­tille der Volks­ma­rine sta­tio­niert. Die Ma­tro­sen und die Flie­ger hat­ten aus dienst­li­chen Grün­den kaum Kon­takt zu­ein­an­der. Das war aber nach Dienst­schluss im Aus­gang bei den ka­ser­niert un­ter­ge­brach­ten Armee­an­ge­hö­ri­gen etwas ande­res. Es ging in der Gast­stätte oder anders­wo meis­tens ganz fried­lich zu, aber wehe es ka­men dann Mä­dels mit ins Spiel, da war es manch­mal mit der "Freund­schaft" aus.


Die Fa­mi­lien der Be­rufs­sol­da­ten bei­der Dienst­stel­len sind in den Wohn­sied­lun­gen meis­tens zur glei­chen Zeit ein­ge­zo­gen und so bil­de­ten sich re­la­tiv schnell Freund­schaf­ten und auch gu­te Wohn­ge­mein­schaf­ten. Die Ein­woh­ner des Dor­fes waren et­was ab­war­tend und beo­bach­te­ten erst ein­mal die Ver­än­de­run­gen in ihrem ge­wohn­ten Um­feld. Die Ehe­frauen der Be­rufs­sol­da­ten muss­ten sich man­che häss­li­che Be­mer­kung auf der Straße oder beim Ein­kauf an­hö­ren.


Negativ für ein ver­träg­li­ches Zu­sam­men­le­ben auf einem gro­ßen Teil der In­sel wirk­te sich auch die un­ge­wohn­te Lärm­be­läs­ti­gung durch die Flug­zeu­ge aus. Be­son­ders die See­bäder mit ih­rem Ur­lau­ber­ver­kehr wur­den durch die star­ten­den oder lan­den­den Flug­zeu­ge ge­stört. Manch ein Über­flug, ins­be­son­dere als von 1961 bis 1964 noch mit der MiG - 17 ge­flo­gen wur­de, war nicht im Sin­ne der Be­völ­ke­rung. Ich habe noch Aus­sa­gen der Flug­zeug­füh­rer im Ohr, wenn sie nach der Lan­dung des Wet­ter­flu­ges, früh ge­gen 6 Uhr, aus­stie­gen und sag­ten: "So, auf die­ser Insel schläft kei­ner mehr." So etwas hat natür­lich nicht zu einem bes­se­ren Ver­ständ­nis ge­gen­über den Flie­gern bei­ge­tra­gen. Die Start- und Lande­bahn lag in der Rich­tung Karls­hagen - Trassen­heide - Zinno­witz. In der Re­gel wur­de mon­tags, mitt­wochs und frei­tags, zwei­mal 6 Stun­den ge­flo­gen und auch teil­weise bis weit in die Nacht hin­ein. Wenn das Ge­schwa­der nicht plan­treu die Flug­stun­den er­füll­te, was meis­tens im Früh­jahr der Fall war, flog man auch sonn­tags.


Die noch vor­han­de­nen Woh­nun­gen der alten Sied­lung er­hiel­ten Be­rufs­kader mit ihren Fa­mi­lien, aber die reich­ten bei wei­tem nicht aus. Außer den Häu­sern 1 bis 8 und 14 bis 18 wur­den die an­de­ren Ge­bäu­de je­weils mit zwei Fa­mi­lien be­legt. Eini­ge be­ka­men auch eine Zu­wei­sung für eine Woh­nung in der Dienst­stel­le Karls­hagen oder in der Dienst­stel­le Garz, am anderen En­de der Insel, etwa 50 km ent­fernt. Auch Ei­gen­ini­ti­ati­ve war ge­fragt, und so such­ten sich eini­ge Be­rufs­sol­da­ten eine Woh­nung in den um­lie­gen­den Orten. Oder sie fan­den eine Freun­din, bei der sie ein­zie­hen konn­ten.

Karlshagen - Waldstraße

Häuser in der Waldstraße in den 70er Jahren

Es wurde schritt­wei­se eine kul­tu­rel­le Be­treu­ung für die Armee­an­ge­hö­ri­gen mit ihren Fami­li­en in der Dienst­stel­le ins Le­ben ge­ru­fen. Die Fami­lien­an­ge­hö­ri­gen be­ka­men Klub­kar­ten und konn­ten so an den Kino­ver­an­stal­tun­gen teil­neh­men oder die neu er­öff­nete Gast­stät­te "Kos­mos" in der Dienst­stel­le be­su­chen. Die Kino­ver­an­stal­tun­gen fan­den re­gel­mä­ßig vier­mal wö­chent­lich statt. Es wur­den auch grö­ßere Ver­an­stal­tun­gen, Kon­zerte und Tanz­ver­an­stal­tungen organisiert. Außer bei Groß­veranstaltungen an staat­lichen Feiertagen machten die Armee­­an­ge­hö­ri­gen mit ihren Fami­lien davon aller­dings wen­ig Ge­brauch. Am 9.3.1965 brann­ten der Kino­saal und die Gast­stät­te "Kos­mos" ab. Die Brand­ver­ur­sa­cher wa­ren Kin­der. Damit waren die­se kul­tu­rel­len Mög­lich­kei­ten zeit­wei­lig vom Tisch.

Karlshagen - Schulgebäude

Das Schulgebäude in der Hauptstraße - später wurde es Sitz der Gemeindeverwaltung

Ein wei­te­res Pro­blem im Ort ent­stand durch die stei­gen­de An­zahl der Schü­ler. Es gab in der Haupt­straße zwei Ge­bäu­de für den Schul­unter­richt und in der Peene­straße noch eine Ba­racke, "die Wiesen­schule". Wei­ter­hin gab es auch gro­ße Pro­bleme bei der Un­ter­brin­gung der Kin­der im Kin­der­gar­ten. 1961 gab es einen Kin­der­garten in der Haupt­straße mit einer Ka­pa­zi­tät für 18 Kin­der. Die An­zahl der zu b­etreu­en­den Kin­der stieg 1962 um wei­tere 30 Kin­der.


Eine Verbes­se­rung ent­stand mit der Schlie­ßung der "Wiesen­schule". In diese zog dann der Kin­der­gar­ten ein und 54 Kin­der konn­ten be­treut wer­den. Er bekam den Namen "Kinder­glück". Eine gro­ße Ver­bes­se­rung ent­stand dann mit der In­be­trieb­nahme der Kom­bi­na­tion Kinder­grippe - Kinder­garten in der Straße des Friedens. Diese hat­te eine Ka­pa­zi­tät von 200 Kin­dern und kos­tete 1,3 Mil­lio­nen Mark. Für die be­rufs­tä­ti­gen Frauen des Ortes be­deu­tete die neue Ein­rich­tung eine wei­te­re Ver­bes­se­rung der Le­bens­be­din­gun­gen. Die Kom­bi­na­tion er­hielt am 18.4.1978 den ver­pflich­ten­den Namen "Kinder­grip­pe/​Kin­der­gart­en Deutsch - Sow­je­ti­sche Freund­schaft". Da die Ka­pa­zi­tät aber wei­ter­hin nicht aus­reich­te, muss­te im März 1975 ein zwei­ter Kin­der­gar­ten im Dorf ge­schaf­fen wer­den.

Karlshagen - Kindergrippe/-garten

Das Kombi-Gebäude für Kindergrippe und Kindergarten

Die Einkaufs­mög­lich­kei­ten im Ort wa­ren eben­falls sehr knapp be­mes­sen und der Han­del war auf den Zu­zug der Fami­li­en nicht ein­ge­stellt. Es gab in der Dienst­stel­le eine Ver­kaufs­ein­rich­tung, wel­che noch eini­ge Jah­re von der sow­je­ti­schen Ma­ga­zin­ket­te be­lie­fert wur­de. Das Wa­ren­an­ge­bot ent­sprach aber nicht immer den Be­dürf­nis­sen der Fami­li­en und Sol­da­ten. So sind einige zum Ein­kauf nach Peene­münde, der Ort lag ja im Sperr­ge­biet, oder nach Wol­gast ge­fah­ren. Aber die Fahrt nach Wol­gast war gera­de im Som­mer teil­weise sehr zeit­auf­wen­dig. Der Ein­kauf in Peene­münde hat­te einen Vor­teil, denn dort­hin ka­men wegen dem Sperr­ge­biet kei­ne Ur­lau­ber. Na­tür­lich kam dieser "Ein­kaufs­tou­ris­mus" bei den Peene­münder Ein­woh­nern auch nicht gut an.


Die medizi­ni­sche Ver­sor­gung der Ein­woh­ner ge­stal­te­te sich sehr kom­pli­ziert. Ab 1959 hiel­ten Ärz­te aus ande­ren Or­ten Sprech­stun­den in der Wiesen­schule in der Peene­straße ab. Auch die Sprech­stun­den für Kin­der wur­den dort durch­ge­führt. Es gab für die Armee­an­ge­höri­gen und ihre Fami­li­en zu­sätz­lich eine medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung in Med. Punkt in der Flie­ger­dienst­stelle. Am 1.1.1966 wur­de die staat­li­che Arzt­praxis in der Haupt­straße ge­gen­über dem Land­wa­ren­kauf­haus er­öff­net. Aber da es kei­nen Arzt vor Ort gab, muss­ten wei­ter­hin Ärzte aus ande­ren Or­ten die Sprech­stun­den ab­hal­ten. Am 1.5.1966 öff­nete in die­sem Haus eine Zahn­arzt­praxis mit einer Zahn­ärztin.


Eine ständige Be­set­zung mit einem eige­nen Arzt konn­te erst Ende 1973 ver­wirk­licht wer­den, ein zwei­ter Arzt kam dann 1974 hinzu.

Karlshagen - Ärztehaus

Das Ärztehaus in der Hauptstraße

Im Rahmen ge­stie­ge­ner Si­cher­heits­vor­keh­run­gen in der DDR wur­de 1962 die Nord­spit­ze der Insel Use­dom, nörd­lich der Peene- und Strand­straße zum mili­tä­ri­schen Sperr­ge­biet er­klärt und ein­ge­zäunt. Der Zaun stand am Strand bis in das Was­ser hin­ein und muss­te nach je­dem Win­ter er­neuert wer­den. Vor der Dienst­stel­le wur­de ein Kon­troll­punkt er­rich­tet. Jeder, der den Kon­troll­punkt pas­sier­te, brauch­te eine Zu­tritts­be­rech­ti­gung für das Sperr­ge­biet. Der Kon­troll­punkt un­ter­stand der Ab­tei­lung Inne­res beim Rat des Krei­ses Wolgast und war mit je einem An­ge­hö­ri­gen der Volks­po­li­zei und der Trans­port­po­li­zei be­setzt. Der Volks­po­li­zist kon­trol­lier­te den Stra­ßen­ver­kehr und der Trans­port­po­li­zist den Zug­ver­kehr. Je­der Zug von und nach Peene­münde muss­te dort zur Kon­trolle an­hal­ten. Auch wur­den schritt­wei­se Ru­der­boote, Luft­ma­trat­zen und Schwimm­rei­fen vom Strand ver­bannt. Sie durften dann nicht mehr benutzt werden.


Die Einwohner der al­ten Sied­lung wohn­ten jetzt im Sperr­ge­biet und konn­ten nur den Be­such emp­fan­gen, der eine Zu­tritts­ge­neh­mi­gung vom Rat des Krei­ses be­saß. Die­se Be­rech­ti­gung be­ka­men in der Regel nur Ver­wand­te ers­ten Gra­des, also El­tern, Ge­schwis­ter und Kin­der. Sie war min­des­tens zwei Wo­chen vor­her zu be­an­tra­gen. Die Be­grün­dun­gen für das Sperr­ge­biet waren:


Der Strand im Be­reich Kien­hei­de dien­te der Volks­ma­rine zeit­weise als Übungs­ge­biet für See­an­lan­dun­gen und ande­re Maß­nah­men. Für die Zu­tritts­be­rech­tig­ten des Sperr­ge­bie­tes, das waren die Armee­an­ge­hö­ri­gen mit ihren Fami­lien, er­gab sich da­durch ein Vor­teil. So hat­ten sie auch in der Sai­son einen fast lee­ren Strand zur Ver­fü­gung. Das führ­te dann teil­weise un­ter der Zivil­be­völ­ke­rung im Ort zu hef­ti­gen Dis­kus­sio­nen über die "Privi­le­gier­ten".


Durch einen Hand­streich hat­te der Ba­tail­lons­kom­man­deur, Oberst­leut­nant Sieg, 1972 das Orts­ein­gangs­schild, von Peene­münde kom­mend, an den Beginn der Sied­lung stel­len las­sen. So­mit wurde ganz ein­fach die alte Sied­lung aus dem Sperr­ge­biet her­aus­ge­löst. Diese Sied­lungs­häu­ser be­ka­men jetzt den Na­men "Wald­straße". Das war ein "Be­frei­ungs­schlag" für die Ein­woh­ner der Wald­straße und wur­de auch von den Be­hör­den wider­stands­los ak­zep­tiert. Auch der Kon­troll­punkt für das Sperr­ge­biet wurde in Höhe der heu­ti­gen Ost­see­straße ver­legt.

Zur Erhö­hung der Moti­vie­rung der Armee­an­ge­hö­ri­gen in Karls­hagen und Peene­münde un­ter­nah­men die ver­ant­wort­li­chen Par­tei­organe der SED und lei­ten­de Mit­ar­bei­ter der un­ter­schied­lichen Ab­tei­lun­gen im Rat des Krei­ses und des Be­zir­kes Ro­stock An­stren­gun­gen, Ver­än­de­run­gen für den Nord­teil der Insel her­bei­zu­füh­ren. Aber die­ser Pro­zess war teil­weise sehr zäh und brauch­te seine Zeit.


Konkret und vor­al­lem für alle sicht­bar, be­gan­nen 1963 die ers­ten Bau­maß­nah­men in der Nähe des Dor­fes. In der heu­ti­gen Straße des Friedens wur­den schritt­weise 240 Zwei- und Drei­raum­woh­nun­gen ge­baut. Da­von wa­ren die ers­ten im De­zem­ber 1964 fer­tig. In die eine Hälf­te der Häu­ser zo­gen An­ge­hö­ri­ge der Volks­ma­rine und in die an­dere Hälf­te die Flie­ger ein. Jetzt konn­te auch be­gon­nen wer­den, die Woh­nun­gen in der Wald­straße nur noch mit einer Fami­lie zu be­le­gen.


Viele Armee­an­ge­hö­rige mit ihren Fami­lien hat­ten da­durch in Karls­hgen eine neue Hei­mat ge­fun­den. Ar­beits­mög­lich­kei­ten bo­ten sich in der Kreis­stadt Wol­gast sowie in der ört­li­chen Fi­sche­rei, in der Land­wirt­schaft, in der Ur­lau­ber­be­treu­ung und im Kraft­werk Peene­münde. Der ein­set­zen­de Woh­nungs­bau und der stän­dige Zuzug jun­ger Fami­lien brach­te es mit sich, dass die vor­han­de­nen Woh­nun­gen bald nicht mehr aus­reich­ten.

Karlshagen - Heinrich Heine Schule

Heinrich Heine Schule, gebaut 1974

Mit dem Bau der Woh­nun­gen in der Straße des Friedens wur­de dort auch eine neue Schu­le ge­baut. Sie be­stand aus 13 frei­ste­hen­den Un­ter­richts­räu­men, wel­che durch einen ge­schlos­se­nen Gang mit­ein­an­der ver­bun­den wa­ren. So ent­stand in der Mit­te ein rings­um ge­schütz­ter Frei­raum. Diese Schu­le war das "Pro­jekt Stein­hagen" und wurde von der DDR ur­sprüng­lich für afri­ka­ni­sche Län­der ent­wickelt. Sie wur­de am 10.9.1964 ein­ge­weiht und be­kam den Na­men Heinrich-Heine-Schule. Das war na­tür­lich ein Fort­schritt für das Bil­dungs­we­sen im Ort. Da die An­zahl der Kin­der wei­ter an­stieg, konn­te 1974 ein wei­te­rer, grö­ße­rer Schul­neu­bau mit 26 Un­ter­richts­räu­men in Be­sitz ge­nom­men wer­den. Dazu ge­hör­te auch eine Turn­hal­le mit einer Klein­sport­anlage.

Karlshagen - neue Schule

Die neue Schule, erbaut 1964 in der Straße des Friedens.
Im Hintergrund die neue Schule, gebaut 1974

Karlshagen - Straße der Freundschaft

Die Straße der Freundschaft

1974 began­nen er­neut Bau­maß­nah­men im Be­reich der heu­ti­gen Straße der Freund­schaft. Dort wur­den bis 1978 schritt­wei­se 400 Drei­raum­woh­nun­gen ge­baut, wel­che eben­falls zur Hälf­te durch die Ma­ri­ne und durch die Flie­ger be­zo­gen wur­den. Nun stell­ten die Ein­woh­ner im Dorf er­neut die Frage, warum die Armee im­mer wie­der Neu­bau­woh­nun­gen be­kommt und für sie nichts üb­rig bleibt.


Nach langem Kampf wur­den zwi­schen der Strand­straße und der Straße des Friedens 1976 122 Woh­nun­gen ge­baut, die der Ge­mein­de zur Ver­fü­gung ge­stellt und auch durch sie ver­ge­ben wur­den. So konnte dann der Frie­den wie­der her­ge­stellt wer­den. Im Kreise der Dorf­be­woh­ner wurde auch im­mer wie­der der doch an­geb­lich hohe Ver­dienst der Armee­an­ge­hö­ri­gen dis­ku­tiert und da­rüber ge­schimpft. Aber als die Armee­an­ge­hö­ri­gen den teil­weise hö­he­ren Ver­dienst der Fi­scher er­fuh­ren, gab es Ge­gen­argu­men­te und auch die­ser "Streit" wur­de bei­ge­legt.

Karlshagen - neue Schule

Die Wohnungen für die Einwohner der Gemeinde, gebaut 1971

Im Jahre 1971 wur­de end­lich eine HO-Kauf­halle in der Strand­straße ge­baut. Diese ver­bes­serte die Ein­kaufs­mög­lich­keit etwas. Aber auch die­se Ein­kaufs­mög­lich­keit reich­te ge­ra­de in der Sai­son bei wei­tem nicht aus. Mit den stän­di­gen Ver­grö­ße­run­gen der Feri­en­la­ger er­höh­ten sich auch die Ur­lau­ber­zah­len in Karls­hagen. Ab 1962 hat­te das Kin­der­feri­en­lager "Ger­man Titow" der Luft­streit­kräf­te am Strand von Karls­hagen eine Ka­pa­zi­tät von 1.000 Kin­dern und Be­treu­ern pro Durch­gang. Die Schul­fe­rien in der DDR lie­ßen drei Durch­gän­ge zu. Ge­ra­de in der Hoch­sai­son brauch­ten die Be­woh­ner viel Zeit zum Ein­kau­fen. Oft dau­er­te es bis zu einer Stun­de, ehe der Kun­de einen Ein­kaufs­korb hatte.

Karlshagen - German Titow

Ein Teil der Kinderferienlager "German Titow"

Auch wur­de, da­mit die Sta­tis­tik im In­sel­nor­den stimmt, ein Wohn­block in der Straße der Freund­schaft mit 40 Woh­nun­gen dem Ort Zinno­witz sta­tis­tisch zu­ge­ord­net. Die­se wur­den aber auch durch An­ge­hö­ri­ge der Armee be­zo­gen. Eben­falls wur­de in die­sen Zeit­raum eine Gast­stät­te ne­ben der Kauf­halle mit 146 Plät­zen ge­baut. Diese HO-Gast­stät­te be­kam den Na­men "Nordkap". So wird es noch heute, pri­va­ti­siert, ge­nannt. Das Ni­veau die­ser Gast­stät­te war zu Be­ginn re­la­tiv hoch. Aber da sie teil­wei­se zur Ar­bei­ter­ver­sor­gung her­hal­ten muss­te, ging es mit dem Ni­veau dann bergab.

Karlshagen - Kaufhalle Karlshagen - Gaststätte Nordkap

Die Kaufhalle und die Gaststätte "Nordkap"

Einen gewis­sen Bei­trag bei der Frei­zeit­ge­stal­tung nahm auch die Ent­wick­lung der Klein­gar­ten­spar­te ein. Eine nicht ge­rade ge­rin­ge An­zahl von Fami­lien der Armee­an­ge­hö­ri­gen sah das als sinn­vol­le Frei­zeit­be­schäf­ti­gung an und ver­grö­ßer­te da­durch auch das An­ge­bot von Obst und Ge­mü­se in der eige­nen Kü­che. Die An­zahl der Mit­glie­der stieg von 68 im Jahr 1968 bis auf 183 im Jahr 1978. Seit dem 1.1.1978 trägt die Spar­te den Na­men "Ost­see­land".


Beginnend im Jahr 1976 wur­den jähr­lich je­weils 12 Woh­nun­gen in der Wald­straße leer ge­zo­gen, um die­se zu re­kon­stru­ie­ren. Neue Fens­ter und Tü­ren, neue Elek­tro­an­lage, eine Schwer­kraft­hei­zung auf Koh­len­ba­sis wur­den ein­ge­baut. Die­se Bau­maß­nahmen wer­te­ten die­se Woh­nun­gen auf und mach­ten sie be­gehr­ter.


1978/79 gab es wie­der einen stren­gen Win­ter. Zwi­schen Weih­nach­ten und Syl­ves­ter fiel das Ther­mo­me­ter in­ner­halb von 24 Stun­den von plus 14 Grad auf mi­nus 14 Grad und es setz­te star­ker Schnee­fall und Sturm ein. Die­ses Wet­ter hielt eine gu­te Wo­che an. Teil­wei­se fiel der Strom aus. Auf den Stra­ßen ging nichts mehr und es wurde schwe­re Tech­nik und Hub­schrau­ber der NVA zur Ver­sor­gung der Be­völ­ke­rung ein­ge­setzt. Die Volks­armee stell­te vie­le Not­strom­ag­gre­ga­te dem Kran­ken­haus Wol­gast, Kin­der­gär­ten, Bäcke­rei­en usw. zur Ver­fü­gung.

Karlshagen - Waldstraße

Die Waldstraße im Winter

Der Rat der Ge­mein­de Karls­hagen hat sich sehr be­müht, in Zu­sam­men­ar­beit mit den Volks­ver­tre­tern und den an­de­ren ört­li­chen Or­ga­nen, so­wie Be­trie­ben, wel­che in Karls­hagen Er­ho­lungs­stät­ten ein­ge­rich­tet hat­ten, die Stra­ßen­ver­hält­nis­se stän­dig wei­ter zu ver­bes­sern. Auch die Sol­da­ten der NVA leis­te­ten dabei wert­volle Hilfe. Geh­wege an den Stra­ßen wur­den auf Kos­ten der Be­trie­be mit Schritt­plat­ten aus­ge­legt, und so durf­ten dann die Be­trie­be ihre Ein­rich­tun­gen ver­grö­ßern. Durch sol­che Maß­nah­men wurde die Man­gel­wirt­schaft teil­weise ge­mil­dert.


Eine Ein­schät­zung der Ge­mein­de­ver­tre­tung 1979: "Das erst­mals ab­ge­schie­de­ne, im letz­ten Krieg schwer heim­ge­such­te Karls­hagen, ist an sei­nem 150. Ge­burts­tag, 1979, im 30. Jahr des Be­ste­hens un­se­rer so­zia­li­sti­schen Deut­schen Demo­kra­ti­schen Re­pu­blik, ein auf­blü­hen­der Ort mit über 3.200 Ein­woh­nern. Er ist durch ein gu­tes Stra­ßen­netz und zu­ver­läs­si­gen Ver­kehrs­mit­tel mit der Um­welt ver­bun­den. Die Zeit der Sand- und Fuß­we­ge ge­hört längst der Ge­schich­te an".

Karlshagen - Hauptstraße

Die Hauptstraße im Ort noch ohne Gehwege

Auch das kul­tu­rel­le An­ge­bot für die Ein­woh­ner und Ur­lau­ber bes­ser­te sich schritt­wei­se. So wur­de am Strand­vor­platz eine Klein­büh­ne auf­ge­baut, auf der z.B. das Mu­sik­korps der Volks­ma­rine Peene­münde spiel­te. Auch tra­ten Sing­grup­pen auf oder es wur­den Bau­ern­märkte durch­ge­führt.


Weiteren Woh­nungs­bau gab es in den 80er Jah­ren in der heu­ti­gen Dünen­straße. Dort ent­stan­den 160 Woh­nun­gen un­ter­schied­li­cher Grö­ße. So stan­den bis 1989 für die Armee­an­ge­hö­ri­gen im Raum Karls­hagen ins­ge­samt 854 Neu­bau­woh­nun­gen zur Ver­fü­gung. Gegen­über die­sen Wohn­blöcken in der Dünen­straße wur­den 1988 wei­te­re Woh­nun­gen vom Typ "Anklam" ge­baut und end­lich nicht mehr in Plat­ten­bau­weise. Aber auf­grund der Wen­de wur­den die­se Woh­nun­gen für die Armee­an­ge­hö­ri­gen nicht mehr fer­tig und sie wur­den 1991 pri­va­ti­siert. Die drei Sied­lun­gen sind heute der Grund da­für, dass der Ort kein ein­heit­li­ches und ge­schlos­se­nes Orts­bild auf­wei­sen kann.

Die Militär­an­ge­höri­gen mit ih­ren Fami­li­en nah­men auch am ge­sell­schaft­li­chen Le­ben in der Ge­mein­de teil und präg­ten so das Orts­bild mit. Am 1.3.1966 wur­de mit einem Ge­schwa­der­ap­pell auf der Haupt­straße vor der Gast­stät­te "Kiefer­nhain" dem Jagd­flie­ger­ge­schwa­der 9 der Tra­di­tions­name "Heinrich Rau" fei­er­lich ver­lie­hen. Heinrich Rau war Spa­nien­kämp­fer und bis zu sei­nem Tod 1961 der Mi­nis­ter für Außen­han­del und Inn­er­deut­schen Han­del der DDR. Auch am "Eh­ren­mal für die Opfer des Fa­schis­mus" wur­den Kranz­nie­der­le­gun­gen, Ver­an­stal­tun­gen mit Schul­klas­sen, Ver­eidi­gun­gen von jun­gen Sol­da­ten oder Emp­fän­ger aus­län­di­scher Gäste u.ä. mit Teil­nah­me der Ein­woh­ner durch­ge­führt.


1979 gab der Ge­mein­de­rat fol­gen­de Eins­chät­zung über die so­zia­li­sti­sche Ent­wick­lung ab: "Die Um­ge­stal­tung ist sicht­bar und dient den Bür­gern unse­res auf­blü­hen­den so­zi­alis­ti­schen Ortes und damit dem Staat. In die­sem Zu­sam­men­hang kämpft der Rat der Ge­mein­de mit Un­ter­stüt­zung al­ler ge­sell­schaft­li­chen Or­ga­nisa­tio­nen und der NVA, ent­spre­chend dem Auf­ruf der Na­tio­na­len Front: "Schö­ner unse­re Städ­te und Ge­mein­den" um die staat­li­che An­er­ken­nung als Ge­mein­de der vor­bild­li­chen Ord­nung und Si­cher­heit". Die­ser Titel wur­de 1980 dem Ort Karls­hagen ver­lie­hen. So war es für die An­ge­hö­ri­gen der NVA fast Pflicht, an staat­li­chen Fei­er­ta­gen, wie dem 1. März, dem Tag der NVA, am 1. Mai, dem In­ter­na­tio­na­len Kampf- und Feier­tag der Werk­tä­ti­gen oder dem 7. Ok­to­ber, dem Na­tio­nal­feier­tag der DDR, in der Öf­fent­lich­keit in Aus­gangs­uni­form zu er­schei­nen. Eben­falls war es Pflicht, aus dem Fens­ter der Woh­nun­gen min­de­stens eine Fah­ne her­aus­zu­hän­gen. Man­cher Ein­heits­kom­man­deur muss­te am nächs­ten Tag bei der Kom­man­deurs­lage auf­stehen, weil ein An­ge­hö­ri­ger seiner Ein­heit das eine oder das an­de­re nicht er­füllt hatte.


Der Stand­ort Karls­hagen/​Peene­münde hat­te in den Luft­streit­kräf­ten der DDR einen eigen­ar­ti­gen Ruf. Das JG-9 war eines der ers­ten Ge­schwa­der im Rah­men der Luft­streit­kräf­te der DDR. Auf Grund der Nähe zur Gren­ze des War­schauer Ver­trages mit der NATO wur­den vom Ge­schwa­der mehr Ein­sätze im Dienst­ha­ben­den Sys­tem ge­flo­gen, als bei den ande­ren Ge­schwa­dern der DDR zu­sam­men.


Eine An­fang ab­leh­nen­de Hal­tung jun­ger Armee­an­ge­hö­ri­ger der Luft­streit­kräf­te zu Peene­münde ent­stand oft­mals an den Aus­bil­dungs­ein­rich­tun­gen. An der Of­fi­ziers­hoch­schu­le Kamenz aber auch an der Un­ter­of­fi­ziers­schu­le in Bad Düben wurde der ab­ge­le­gene Stand­ort Peene­münde ge­gen­über den Schü­lern als Druck­mit­tel be­nutzt. Wenn der eine oder ande­re nicht so rich­tig spur­te, wie ge­wünscht, dann hieß es teil­weise: "Ge­nos­se, wenn Sie sich nicht än­dern, kom­men Sie nach Peene­münde". Wenn Neu­an­kömm­lin­ge dann hier in der Dienst­stelle mit so einem Vor­ur­teil an­ka­men, wirk­te sich das nicht gera­de po­si­tiv auf die ers­ten Tage ihres Diens­tes aus, und es galt man­ches Pro­blem zu lö­sen. Aber vie­le hier­her ver­setz­te Armee­an­ge­hö­ri­ge wa­ren nach einer ge­wis­sen Zeit gern hier, in der Nä­he der Ost­see und auch in der schö­nen Natur. Von den Sol­da­ten und Un­ter­offi­zie­ren wur­den dann auch die Un­ter­künf­te in den Ba­racken, we­gen der re­la­tiv klei­nen Zim­mer und der Be­le­gung mit teil­weise 3 oder 4 Mann, gern an­ge­nom­men.


Eigent­lich kann ein­ge­schätzt wer­den, dass sich das Ver­hält­nis im Zu­sam­men­le­ben der Mili­tär­an­ge­hö­ri­gen mit den Ein­woh­nern von Karls­hagen und Um­ge­bung lang­sam und schritt­wei­se ver­bes­sert hat. Mir sind rich­tig ernste Aus­ein­an­der­set­zun­gen und Pro­bleme nicht be­kannt. Man hatte sich ir­gend­wann ane­in­an­der ge­wöhnt. Es ist ein lang­wie­riger Pro­zess, wenn ein et­was ab­ge­le­ge­ner und ru­hi­ger Ort so fast über Nacht zum Gar­ni­sons­stand­ort ge­macht wird. Auch kann ge­sagt wer­den, dass mit dem Er­schei­nen der NVA in Karls­hagen der Ort eine ge­wis­se Ent­wick­lung ge­nom­men hat. Auch wenn bei man­chen Vor­haben die Ge­mein­de­ver­tre­ter nicht ge­fragt wur­den. Wir se­hen das heu­te ganz deut­lich am ent­stan­de­nen Orts­bild.

Auch die Wende­zeit war nicht ge­ra­de ein­fach für vie­le Fami­li­en. Die Un­ge­wiss­heit über die wei­te­re Zu­kunft mach­te sich breit. Die Pro­bleme wur­den nicht klei­ner. Dazu kam, dass uns von den vor­ge­setz­ten Stä­ben so gut wie kei­ne In­for­ma­tio­nen er­reich­ten. Sie wa­ren teil­wei­se hand­lungs­un­fähig. In­for­ma­tion­en von Außen wa­ren kaum mög­lich, denn wir wa­ren im Be­reich ARD "Außer Rü­gen und Dres­den und was da­hin­ter liegt". Also im Tal der Ah­nungs­lo­sen. So konn­ten sich die wil­des­ten Ge­rüch­te aus­brei­ten. Vie­le In­for­ma­tio­nen brach­ten na­tür­lich un­se­re Ur­lau­ber mit. Was war Wahr­heit und was nicht?


Mit der Auf­lö­sung der NVA-Dienst­stel­len in Karls­hagen 1991 und Peene­münde 1996 fiel der größ­te Ar­beit­ge­ber im Nor­den der Insel weg. Vie­le Be­rufs­sol­daten sind da­rauf­hin weg­ge­zo­gen und der Ar­beit ge­folgt. So wur­den vie­le Fami­lien aus­ein­an­der ge­ris­sen, ge­rade wenn ein Part­ner von hier aus der Ge­gend kam.


Einer der Weni­gen, wel­che sich über die Auf­lö­sung der NVA freu­te, war der Pfar­rer von Trassen­heide/​Karls­hagen. Er hat sich manch­mal in sei­nen Pre­dig­ten der­ar­tig ge­äußert, dass die Armee dort hin gehen soll, wo sie her­ge­kom­men ist. Er war ab­so­lut kein Freund der Armee­an­ge­hö­ri­gen. Sein Vor­gän­ger war es eben­falls nicht. So hat er 1968 meine Toch­ter nicht ge­tauft, nur weil ich An­ge­höri­ger der NVA war. Da­rauf­hin bin ich dann aus der Kir­che aus­ge­tre­ten. Das wa­ren aber die ein­zi­gen Aus­wüch­se, welc­he bei mir in Er­in­ne­rung ge­blie­ben sind.

Durch den stän­di­gen Zu­zug be­son­ders jun­ger Fami­lien seit 1961 hat sich Karls­hagen fort­wäh­rend ver­än­dert und das wirkt sich bis heute aus. Die­se Ent­wick­lung war für ein See­bad auf der Insel Use­dom nicht ty­pisch. So wohnt ein nicht gera­de ge­rin­ger Teil der ehe­ma­li­gen Be­rufs­sol­da­ten noch heu­te hier. Viele sind in­zwi­schen Rent­ner. Es ist auch zu be­ob­ach­ten, dass eini­ge ehe­ma­li­ge NVA-An­ge­hö­ri­ge nach ih­rem Ar­beits­leb­en wie­der zu­rück­keh­ren, oder sie ho­len ihre Ver­wand­ten nach, um hier in der schö­nen Ge­gend ihren Le­bens­abend zu ge­nie­ßen. Das wirkt sich na­tür­lich auf die Al­ters­struk­tur der Ein­woh­ner von Karls­hagen aus. Es werd­en so­mit ho­he An­for­de­run­gen an die al­ters­ge­rech­te Be­treu­ung, an die Ärz­te und an das Pfle­ge­per­so­nal ge­stellt.


Auch in der Land­schaft sind noch eini­ge "Alt­las­ten" zu fin­den, wel­che dem heu­ti­gen Orts­bild nicht gera­de dien­lich sind. So z.B. die "his­to­risch gewach­se­nen Gara­gen" zwi­schen der Wald­straße und der Straße der Freund­schaft sowie auch der Gara­gen­komp­lex in der Hugo-Elsner-Straße und in der Straße des Friedens.

Karlshagen - Garagenstraße

Die "Garagenstraße" zwischen der Waldstraße und der Straße der Freundschaft, gebaut in Eigeninitiative 1961/62 - Bild von 2008

Karlshagen - Wirtschaftsgebäude

Vor dem Wirtschaftsgebäude von 2008

Die ehe­ma­lige Flie­ger­dienst­stel­le, die seit 1992 nicht mehr be­wirt­schaf­tet wird, ist dem Ver­fall preis­ge­ge­ben. Aber die Grund­struk­tur des Ob­jek­tes steht un­ter Denk­mal­schutz. Das Po­si­ti­ve ist, dass der Ver­fall auf­grund der Lage im Wald von außen kaum zu sehen ist. Das Gelände ist ver­kauft und es soll ein Ge­sund­heits- und Well­ness­park mit ca. 1000 Bet­ten ent­ste­hen. Die ehe­ma­lige Dienst­stel­le ge­hört zwar zu den Lie­gen­schaften von Peene­münde, be­las­tet aber im star­ken Maße die In­fra­struk­tur von Karls­hagen und nicht Peene­münde.


Die Woh­nun­gen der Wald­straße sind pri­va­ti­siert. Die Woh­nun­gen der Straße des Friedens, Straße der Freund­schaft und der Dünen­straße ge­hö­ren einer Woh­nungs­ge­nos­sen­schaft bzw. dem Ort Karls­hagen. Auf­grund von Re­kon­struk­tions­maß­nah­men und einer gu­ten Woh­nungs­po­li­tik gibt es kaum einen Leer­stand. Die Woh­nun­gen sind auf der Insel Use­dom und da­rü­ber hin­aus sehr be­liebt.